Unter einem Bauerngarten konnte ich mir zunächst nichts vorstellen. Aber in mir regte sich der Wunsch zu lernen, wie ich Gemüse selbst anbauen kann, gepaart mit einer Sehnsucht, vor allem im Sommer mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Bald fiel mit der Flyer vom Bio-Garten Projekt Bauerngarten in die Hände, eine Freundin war schnell überzeugt mitzugärtnern und auf ging es in die erste Saison! Seitdem steigt meine Begeisterung für das Projekt von Jahr zu Jahr.
Kürzlich hatte ich Gelegenheit, mit Max von Grafenstein, dem Gründer des innovativen bauerngarten-Projekts, zu sprechen. Wie wunderbar passend zum Frühling und baldigen Gemüsegarten-Saisonstart!
Hallo Max, schön, dass du dir die Zeit für unser Gespräch nimmst. Erzähl mal:
Wie kann ich mir das Projekt bauerngarten visuell vorstellen?
Wir haben uns gefragt: Wie schaffen wir es als Landwirte, den großen Acker etwas menschenfreundlicher zu gestalten? Der Kreis als Form hat mich und meine Freunde, mit denen ich das diskutiert habe, dann überzeugt – und so haben wir in dem quadratischen Acker große Gemüsekreise angelegt und die dann jeweils in Tortenstücke, unsere Ackerparzellen, geteilt. Das alles ohne Zäune oder sonstigen Barrieren zwischen die Parzellen. Die Unternehmensberatungen, die uns eingangs betreuten, hatten in das freie Konzept kein richtiges Vertrauen und warnten davor, dass es in Kraut und Rüben endet. (lacht) Aber es funktioniert wunderbar! Manchmal wächst schon eine Karotte oder eine rote Beete zwischen den Parzellen. Unsere Erfahrung ist allerdings, dass das Gemüse an der Grenze zwischen den Beeten meist am längsten stehenbleibt, weil keiner der Gärtner dem anderen etwas weg nehmen möchte. (lacht)
Gab es auch Kritik?
Mein Vater meinte damals zu mir, dass so ein Kreis anbautechnisch ein absoluter Quatsch wäre. (lacht) Aber jetzt ist es das Markenzeichen des bauerngarten-Projekts, die Kreise machen neugierig und funktionieren als Garten wunderbar.
Wie kam es konkret zum bauerngarten in Berlin?
Ich komme selbst von einem kleinen Bauernhof bei Göttingen, bei dem immer viel Kommen und Gehen war. Auch im Studium habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Interesse an Landwirtschaft sehr groß ist, es für den Nichtprofi aber in den professionellen Betrieben kaum Anknüpfungspunkte gibt. So ist die Grundidee für den bauerngarten entstanden: Wir wollen Landwirtschaft für alle, die am Bio-Gemüsegärtnern interessiert sind, erlebbar und machbar machen. So sind auch die zentralisierten Aufgaben wie das maschinelle Pflügen und das automatische Bewässern entstanden – was ja auch aus ökologischen Gründen sinnvoll ist. Es macht keinen Sinn, wenn die Gärtner einzeln anreisen, um die Gießkanne zu schwingen. Bei uns im bauerngarten wird der Boden von Landwirten professionell vorbereitet, um dann im Frühjahr symbolisch die Hacke an den Gärtner zu übergeben. Die eigne Ernte darf dann vom Gärtner erarbeitet werden. Damals an der Uni Kassel, wo ich studiert habe, kursierte ein Anbaukonzept mit dem Namen „Gemüseselbsternte-Parzellen“, das haben wir beim bauerngarten adaptiert und an unsere Zwecke angepasst.
Wie ist die Nachfrage bislang in den Berliner Kreisen?
Wir haben insgesamt drei Standorte: In Pankow im Norden, in Havelmathen im Westen und in Mette im Süden. In Pankow sind inzwischen knapp 300 Leute auf der Warteliste – Fläche ist für kleine ökologische Projekte dort schwer zu bekommen. Wir möchten das bauerngarten-Projekt auch nicht zu groß werden lassen. Ich möchte mich weiterhin als Bauer und nicht als Unternehmer fühlen dürfen, selbst auf dem Trecker sitzen können und den persönlichen Kontakt zu den Gärtnern halten. Auf der anderen Seite habe ich in letzter Zeit auch öfter gedacht: Vielleicht ist die Idee auch einfach zu groß für einen einzelnen landwirtschaftlichen Betrieb. Vielleicht würden wir weiter kommen, wenn wir uns mehr als soziale Bewegung verstehen würden. So könnten wir noch mehr Menschen mit unseren Themen erreichen.
Das klingt auch so, als wären schon jetzt ganz schön viele Personen involviert.
Ja, auf jeden Fall – wir haben über 600 Gärtner in ganz Berlin, sogar 1.500 wenn man die Mitzählt, die nicht selber gebucht haben, aber mit auf dem Acker stehen – das ist eine gelebte Gärtnergemeinschaft. Wir schaffen den Rahmen: Wir bereiten die Kreise vor, wir geben begleitende Workshops durch die Saison, liefern die Saaten und Jungpflanzen und stellen das notwendige Werkzeug. Und bei der Saisoneröffnung, bei den Workshops und auf dem Acker kommen die Gärtner dann ins Gespräch. Bei unserer jährlichen Umfrage, was den Leuten am meisten hilft kommt meist unser Gartentelegramm mit den gesammelten Infos, die Workshops und natürlich auch der Austausch mit den Mitgärtnern. Einige Gärtner sind seit 7 Jahren dabei, das sind hilfreiche Ratgeber für die Neugärtner.
Wie funktioniert das mit den Workshops? Versorgt ihr die Neugärtner da mit allen Infos, die sie für eine erfolgreiche Saison benötigen?
Es ist tatsächlich so: Du bekommst im Bauerngarten alles, was du brauchst – auch ohne jegliche Vorkenntnisse. Insgesamt gibt es knapp 10 Workshops, die zum Saisonbeginn Anfang Mai starten. Los geht es mit Grundsätzlichem: Wie unterscheide ich das Beikraut von den Kulturpflanzen, wie ziehe ich die Kukturpflanzen groß? Dann geht gleich in die Tiefe und ins Detail mit Säkultur … entlang hangelnd an aktuellen Themen kommen dann Workshops zur Fruchtfolge, Erntetechniken, Schädlingen und schließt mit Ernte-Lagerung ab.
Was wächst denn so alles im Bauerngarten?
Bis zu 50 Gemüsesorten wachsen im Bauerngarten. Blattgemüse, Kräuter, Kohlgewachse, Kartoffeln, Wurzelgemüse wie Karotten und Rote Beete, Zuckererbsen, Buschbohnen … insgesamt wirklich viel Ernte. Viele Mitglieder gehen im Sommer überhaupt nicht mehr Gemüse einkaufen und essen sich mit der Ernte aus dem Garten satt. Ein Rohköstler sucht sich wahrscheinlich eine große Parzelle für sich allein, unserer Erfahrung nach geht unsere Empfehlung in der Regel auf: Die Ernte der kleinen Parzellen reicht bei für 1-2 Personen, die große für 3-4 Personen.
Und die Saat und die Pflanzen sind alle bio-zertifiziert.
Ja, genau. Der Bauerngarten ist ein Bioland-zertifizierter Garten und wird regelmäßig geprüft. Bioland ist einer der ältesten Anbauverbände und hat einen höheren Standard als z.B. das EU-Bio-Siegel. Konventionelle Landwirtschaft würde im Bauerngarten auch nicht funktionieren – ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gärtner die Giftspritze in die Hand nehmen würden, um ihr Gemüse zu “fördern“.
Was mache ich dann zu Beginn der Saison als Gärtner? Und wie viel Zeit sollte man fürs Gärtnern einplanen?
Zu Beginn benötigen blutige Anfänger vielleicht eine Stunden mehr in der Woche als die erfahrenen Gärtner, ein Besuch pro Woche reicht in der Regel aus. Erst einmal geht es um Unkraut zupfen, hacken und später dann ums reichlich ernten. 2 Stunden pro Woche reichen aus. Im Sommer lohnt es sich manchmal öfter zu kommen, wenn die Tomaten oder Zucchini schnell wachsen und gern öfter geerntet werden.
Gibt es für diese Saison ab Mai denn noch freie Plätze?
Im Süden Berlins, in unserem Projekt Mette, gibt es noch wenige freie Parzellen, ebenso im Nordosten Berlins in Ahrensfelde. Die Nachfrage ist an diesem Ort ist insgesamt gestiegen – und hier haben wir das Glück, dass wir etwas Platz für neue Gartenkreise und Parzellen haben. Neue Gesichter sind immer herzlich willkommen!
Was ist der einfachste Weg, um sich für eine eine Ackerparzelle anzumelden?
Am besten gehst du dazu auf unsere Website bauerngarten.net und dann auf * Buchung Neugärtner *.
Was kostet das Mitgärtnern?
Die große Parzelle beginnt bei 390,- EUR pro Jahr, eine kleine Parzelle bei 230,- EUR. Wer kann und mag zahlt mehr, um die günstigen Preise für finanziell schwächere Mitgärtner zu unterstützen. Im Preis inbegriffen ist die Vor- und Nachbereitung der Kreise, alle Pflanzen, die Workshops, das Werkzeug.
Für eine kleine Parzelle sind das weniger als 40,- EUR im Monat – bei sechs Monaten Saison von Mai bis Oktober – für reichlich erntefrisches Bio-Gemüse. Da kann kein Biosupermarkt mithalten! Durch die Verteilung der Arbeit auf viele Köpfe ist das Projekt so wunderbar und erschwinglich umzusetzen.
Ich danke für das Gespräch, Max!
Das Magazin Little Escape hat uns auf einem unserer Ausflüge in den Bauerngarten begleitet und mich zu meiner Garten-Liebe interviewt: Lies gern mal rein!