Hand aufs Herz: Kannst du locker und entspannt Nein sagen? Oder ist es eher so:
Gehst du zu Verabredungen, die dir überhaupt nicht wichtig sind und obwohl du lieber etwas anderes machen würdest – und genau dafür irgendwie nie Zeit findest?
Nimmst du Geschenke an, die dir nicht gefallen?
Isst du mehr als du willst, weil jemand dir ungefragt einen Nachschlag auf deinem Teller serviert?
Gehörst du zu denen, die sehr hilfsbereit sind und sofort „Klar, mach ich!“ zu Extra-Aufgaben sagen, gern für andere kurz vor Feierabend, damit die es noch pünktlich ins Kino schaffen?
Natürlich alles der lieben Harmonie willen, nicht, weil es dir wirklich am Herzen liegt.
Wenn du auch nur eine dieser Fragen mit Ja beantwortet hast, bist du hier genau richtig!
Schau dir zum Thema gern dieses Mindful Mindset Monday Video. Im Blog-Artikel gibt es sogar noch weiterführenden Input und vertiefende Fragen, die du für dein Selbstcoaching nutzen kannst.
Mindful Mindset Monday #36: Wie du leichter Nein sagst und klare Grenzen setzt
Meine Einladung: Sag öfter Nein. Ganz entspannt.
Viele meiner Kunden haben Probleme damit, freundlich und bestimmt Grenzen zu setzen und ihre Bedürfnisse zu formulieren – allen voran Frauen, die so erzogen wurden, dass sie sich idealerweise lieb und nett zu verhalten haben, nicht anzuecken, nicht aufzumucken und bloß nicht zu egoistisch zu sein. Wo kämen wir denn hin! Dass Frauen ihre Begeisterung für Katzen teilen, statt sich für politische Themen erwärmen sollten, hat die BBC schon vor Jahren sehr unterhaltsam aufbereitet:
Meine Liebe, es ist soweit. Du bist erwachsen. Du darfst so oft Nein sagen, wie du willst und deine Meinung in die Welt hinaus tragen. Für Männer gilt das selbstverständlich auch.
Es ist Zeit, öfter „Ja!“ zu dir selbst zu deinen Bedürfnissen, Wünschen und Zielen zu sagen.
Du hast die Erlaubnis, dich auf die Dinge zu konzentrieren, die DIR wirklich am Herzen liegen und für dich wichtig sind. Du darfst deine Zeit so einteilen, wie du es möchtest. Es ist dein Leben. Du darfst absolut und ohne schlechtes Gewissen dafür sorgen, dass du genug schläfst, dich mit Themen beschäftigst, die dich begeistern und deine Zeit mit Menschen verbringst, die dir wichtig sind.
Damit du dazu noch viel öfter Gelegenheit und Muße findest, darfst du dir beibringen, dich abzugrenzen und das Wort Nein lockerer über die Zunge gleiten zu lassen. Wie du das erreichen kannst, liest du hier – eine Zusammenstellung von Ansätzen, die ich von Brendon Burchard, Cordula Nussbaum, Elizabeth Gilbert, Louise Hay, Marie Forleo und Tim Ferriss gelernt hab, angereichert mit meinen eigenen Ideen. Los geht das!
Analysiere mal: Warum bist du so hilfsbereit?
Das ist eine wichtige Frage, die du wahrscheinlich nicht sofort eindeutig beantworten kannst. Mir fiel es schwer, mir selbst auf die Schliche zu kommen. Auch hier kommt uns die Achtsamkeit zu Hilfe: Beobachte dich dabei, was in dir vorgeht, wenn dich jemand um etwas bittet, das du eigentlich nicht machen willst. Es gibt reichlich Menschen, die deine Hilfsbereitschaft so lange ausreizen würden, bis du eindeutige Grenzen setzt. Warum sagst du trotzdem Ja?
Ich lade dich ein, mit den folgenden sechs Fragen dein eigenes Verhalten genauer zu durchleuchten und zu verstehen. Mit dieser Analyse hast du die Möglichkeit, deine eigenen Überzeugungen zu erkennen und die eigentlichen Beweggründe deiner Hilfsbereitschaft zu erforschen.
Dir kann damit bewusst werden, warum du andere verurteilst, die eindeutige Grenzen setzen – und auch, warum du andere bewunderst, die in der Lage sind, sich nicht in den Strudel anderer Interessen hineinziehen zu lassen, sondern ihren eigenen Weg zielorientiert gehen.
1. Wie willst du von der Person, die dich um Hilfe bittet, wahrgenommen werden?
Welchen Unterschied würde es machen, wenn du Nein sagen würdest? Inwiefern würde ein Nein den Eindruck stören, den du von dir vermitteln willst?
2. Welche Attribute verbindest du mit Menschen, die ihre Grenzen bewahren?
Bist du empört, wenn jemand nicht so hilfsbereit ist, wie du selbst? Empfindest du diese Menschen als egoistisch? Wähle drei Adjektive aus, die dieses Verhalten deiner Meinung nach gut beschreiben, mir fallen zum Beispiel selbstgefällig, unhöflich, unkollegial ein. Welche Worte beschreiben es deiner Meinung nach sehr gut?
3. Zwingt dich dein schlechtes Gewissen, Ja zu sagen?
Lass es los. Du musst dich weder für deine Chefs, deine Eltern, deine Kinder oder deine Freunde aufopfern. Es ist dein gutes Recht, so zu leben und dich so zu verhalten, wie du es für richtig hältst und neben anderen auch für deine Bedürfnisse zu sorgen. Warum entsteht bei dir ein schlechtes Gewissen, wenn du Nein sagen willst? Welche Überzeugungen findest du darin versteckt?
4. In welchen Situationen drückst du dich vor einem Nein und sagst schnell Ja?
Was bringt dich dazu, dich einem „vorauseilendem Gehorsam“ entsprechend zu verhalten? Warum glaubst du, das es für dich der richtige Weg wäre, eher Ja statt Nein zu sagen? Warum ist es dir lieber, voreilig Ja zu sagen, statt deinen Interesse nachzugehen?
5. Was fasziniert dich an Menschen, die klare Grenzen setzen?
Wen kennst du, die klar kommuniziert, was für sie okay ist und was für ihn zu weit geht? Suche dir aktiv Vorbilder, die souverän Nein sagen und beobachte, wie sie das ganz genau anstellen. Was macht diese Personen aus, die einen klaren Fokus auf die Dinge haben, die ihnen am Herzen liegen – und sich nicht allzu sehr darum scheren, was andere davon halten? Schau dir deren Verhalten ab und imitiere sie. Damit dir das leichter fällt: Wähle drei Adjektive aus, die dieses Verhalten gut beschreiben, beispielsweise fokussiert, klar, zielorientiert und orientiere dich in deinen Handlungen und Reaktionen daran.
6. Wann hattest du Erfolg beim Nein sagen?
Erinnere dich an diese Situationen und das gute Gefühl, das du dabei hattest. Was war gut an deinem Nein? Warum ist es dir in der Situation leicht(er) gefallen, auf deine Wünsche zu achten? Was war anders? Nutze Alltagssituationen, um dich darin zu üben, souverän Nein zu sagen, bspw. im Supermarkt an der Frische-Theke: “Darf es noch etwas mehr sein?” “Nein!”
„Wer nicht Nein sagen kann, der wird sein Ja oft nicht halten können.“
Schau zurück: In welchen Situationen hättest du besser Nein sagen sollen?
Beweg dich Gedanklich in die Vergangenheit und lass einige Situationen Revue passieren. Wo hast du zu etwas zugestimmt, was du später bereut hast? Warum hast du eine Extra-Aufgabe übernommen, statt Nein zu sagen? Schreib dir am besten drei bis fünf Situationen auf, die dir direkt einfallen. Wenn es erstmal nur eine ist: Auch gut.
Was waren deine Vorteile, Ja zu sagen?
Es kann sein, dass du ungern Konflikte austrägst. Vielleicht empfindest du dich nicht als schlagfertig. Schau mal genau hin: Was hast du vermieden, indem du Ja gesagt hast? Welche Vorteile haben sich daraus für dich ergeben?
Was konntest du deshalb nicht erleben oder erledigen?
Nehmen wir mal an, du hast eine Einladung für eine Veranstaltung angenommen, die dich eigentlich nicht interessiert. Du wolltest den Gastgeber nicht vor den Kopf stoßen. Die Frage ist: Was hast du dafür aufgegeben? Wärst du gern zum Yoga gegangen? Hättest du lieber in Ruhe ein Buch gelesen? Hättest du lieber einen gemütlichen Abend mit deinem Partner im Restaurant verbracht?
Was wäre passiert, wenn du das Angebot abgelehnt hättest?
Wovor hattest du Angst? Was wäre das absolute Worst-Case-Scenario gewesen, dass du mit einem Nein provoziert hättest? Mal es dir in allen Details aus. Glaube mir, es macht es nicht schlimmer – dieser Weg ist extrem hilfreich. Meistens, wirst du feststellen, ist der schlimmste Fall gar nicht so angsteinflößend.
Tim Ferriss beschreibt diesen Ansatz in weitaus komplexeren Zusammenhängen – geschäftlichen Entscheidungen und Selbstmord-Ambitionen – als Fear Setting. Es ist ein genialer Weg, um deine Angst wahrzunehmen, ihr aber die Kontrolle über dein Verhalten zu entreißen. Den inspirierenden TED-Talk von Tim kannst du dir hier anschauen. (Soviel als kleiner Exkurs, dazu schreibe ich zu einem späteren Zeitpunkt gern einen ausführlicheren Artikel, der Ansatz ist der Hammer, finde ich.) Also, zurück zum Nein sagen:
Wie hättest du dich elegant aus der Affäre ziehen können?
Hattest du eine Chance, zu widersprechen? Meistens müssen wir einfach nur einen Moment Zeit gewinnen, um Raum für ein Nein entstehen zu lassen, uns zu sammeln und dann zu antworten. Das geht ganz einfach, braucht aber etwas Übung.
Statt sofort zuzusagen: Atme. Schweige. Denk nach.
Widersteh deinem Impuls zu sagen „Ja, selbstverständlich komme ich zu deiner Dessous-Party, ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.“ oder „Auf jeden Fall erledige ich diese Extra-Aufgabe für dich, ich hab heute ja Abend ja eh nichts vor.“ Sei geduldig mit dir. Lass dir einen Moment Zeit.
Selbst wenn dir ein glasklares JA durch den deinen Kopf schießt, das gleich aus deinem Mund plumpsen will: Atme tief in deinen Bauch. Sag für drei Sekunden absolut gar nichts. Finde heraus, was DU willst. Sei konsequent, deinem automatischen Ja zu widerstehen und sei übereinstimmend in deiner Entscheidung und deiner Handlung. Wenn du Nein denkst und fühlst, SAG auch Nein. Selbst wenn du dir dabei vorkommst, als wärst du der selbstsüchtigste Mensch der Welt.
Nimm wahr, wie du dich dabei fühlst, auch körperlich. Schnürt es dir die Kehle zu? Entwickelt sich ein Kloß im Magen? Wird dir bei dem Gedanken daran, zu widersprechen, heiß und kalt? Und dann, wenn du das Angebot nicht annehmen möchtest, sag Nein.
„Wäre nicht das Nein, so wäre das Ja ohne Kraft.“
Warum eigentlich Nein sagen?
- Menschen, die Nein sagen und Grenzen setzen, werden als selbstbewusster wahrgenommen. Und selbstbewusste Menschen sind beliebter und werden stärker respektiert.
- Dein Ja ist in anderen Situationen stärker und wertvoller.
- Du kannst andere besser um einen Gefallen bitten. Du weißt ja: Der andere hat auch ein Recht darauf, Nein zu sagen.
- Du verschaffst dir Zeit! Zeit, für all das, was du viiiiiiiel lieber machen willst.
Die Anleitung: Achtsam Nein sagen.
Wahrscheinlich findest du das theoretisch alles total super, praktisch fällt es dir aber immer noch sehr schwer, das Nein in die Tat umzusetzen. Also, lass uns gern nochmal durchspielen.
Du bekommst eine Anfrage, eine Extra-Aufgabe zu übernehmen. Was tust du nun?
1. Atme tief durch.
2. Bitte um einen Moment Bedenkzeit.
3. Frag dich:
- Will ich diese Aufgabe wirklich übernehmen, würde es mir Spaß machen?
- Was hab ich davon, welche Vorteile hätte es für mich?
- Wie viel Zeit wird diese Extra-Aufgabe erfordern?
- Welche Hebel muss ich in Bewegung setze, um diese Aufgabe zu erledigen?
- Kann ich die Aufgabe allein übernehmen oder bin ich abhängig von anderen Menschen oder Faktoren?
- Wo liegen potenzielle Stolpersteine, die mehr Engagement oder Zeit erfordern, als ich es mir jetzt gerade vorstelle?
- Was ist der höchste energetische und zeitliche Aufwand, wenn die Aufgabe nicht wie am Schnürchen abzuarbeiten ist?
- Welche anderen Aufgaben muss ich dafür zurückstellen?
- Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn ich es ablehne, die Aufgabe zu übernehmen?
- Was würde ich von jemandem denken, der in derselben Situation Nein sagt?
4. Achte auf deine Körpersprache und deine Stimme, am Telefon genauso wie im persönlichen Gespräch. Setz oder stell dich aufrecht hin, spür den festen Boden unter den Füßen. Schau deinem Gegenüber direkt in die Augen (oder stell es dir am Telefon so vor). Und jetzt sagst du freundlich und ganz locker: „Nein.“ Und mehr nicht!
5. Achtung, ganz wichtiger Punkt: Liefere keine Rechtfertigungen und Gründe, warum du nein sagst. Das ist ein gefundenes Fressen für dein Gegenüber, warum du es doch machen solltest.
6. Vermeide einschränkende Formulierungen wie „Eigentlich“, „glaube ich“, „normalerweise“ … Das können Steilvorlagen sein, die nach hinten losgehen: “Also eigentlich wollte ich heute pünktlich gehen …” Nope. Sag freundlich, aber bestimmt Nein. Ein Nein, das überzeugend ausgesprochen wird, wird von deinem Gegenüber leichter akzeptiert.
7. Atme tief in den Bauch und beobachte, was mit dir und deinem Gegenüber passiert. Lass das Nein einfach im Raum stehen und genieße es.
Für Profis: Verpacke dein Nein sehr geschickt
- Triff eine grundsätzliche Aussage, dann akzeptiert dein Gegenüber deine Absage leicht und wertet sie nicht als persönlichen Affront: “Ich esse grundsätzlich kein Fleisch.”
- Gewinne Zeit, indem du den Zeitpunkt auf unbefristete Zeit verschiebst: „Im Augenblick ist es mir nicht möglich, diese Aufgabe zu erledigen.“ Die mögliche Gegenfrage: „Wann geht es denn wieder?“ antwortest du: „Das kann ich momentan noch nicht genau abschätzen.“
- Gib einen klaren Zeitrahmen vor, wann du zur Verfügung stehen könntest und verkaufe dein Nein als Ja: „Kannst du am Donnerstag das und das erledigen?“ „Ja, das mache ich gern Freitagnachmittag.” Sei grundsätzlich sehr klar in deiner Kommunikation, welche Aufgaben du in welchem Tempo erledigen kannst. Dazu ist es wichtig, das auch richtig einschätzen zu können: Vielleicht neigst du dazu, dich und deine Kapazitäten zu überschätzen?
Last, but not least: Ändere dein Nein-Mindset
Berufe dich auf die positiven Eindrücke, die du von deinen „Nein-Vorbildern“ gelernt hast. Kleb dir diese Attribute, z.B. selbstbestimmt, zielorientiert, fokussiert an deinen Badezimmerspiegel und beobachte dich in deinen Handlungen. Wie kannst du dich öfter so verhalten?
Statt dich selbst darin zu bestätigen, dass du schlecht Nein sagen kannst, sag in Gedanken, oder auch gern mal laut zu dir selbst: “Wenn es mir wichtig ist, kann ich sehr gut Nein sagen.”
Jetzt bin ich gespannt: Welche Taktik probierst du aus, um in Zukunft anders zu reagieren?
Ich wünsche dir viel Spaß dabei, dein Ja-/Nein-Verhalten zu ändern und deine Widerstandsfähigkeit zu erhöhen!
PS: Diesen Artikel hab ich erstmals am 21.09.2017 veröffentlicht und am 17.09.2018 durch das Mindful Mindset Monday Video ergänzt. Scheint ein Herbst-Thema zu sein. 🙂